Fabiana Striffler

Fabiana Striffler Photo
Fabiana Striffler, Photo: Dovile Sermokas

Biographie

Fabiana Striffler (* 27. Januar 1988 in Schwäbisch Hall) ist eine deutsche Jazzmusikerin.

Ihre ersten Lebensjahre verbrachte sie mit ihrer Familie in Italien und entdeckte schon früh ihr großes Interesse an Kunst und Musik. Sie begann mit sechs Jahren, Geige zu spielen. Striffler studierte in Berlin an der Universität der Künste und der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin Jazz- und klassische Violine.

Fabiana Striffler hat zunächst in klassischen Ensembles und Orchestern gespielt, ehe sie sich in der Jazz-Szene profilierte. Von 2013 bis 2018 von der Yehudi Menuhin Association gefördert, gehört Striffler seit 2017 zum grandiosen Andromeda Mega Express Orchestra. Daneben spielt die 33-jährige Wahl-Berlinerin seit Jahren regelmäßig Seite an Seite mit Greg Cohen.

Sie war an über 40 Studioproduktionen beteiligt, arbeitete mit John Hollenbeck und Kurt Rosenwinkel, Kwabs und Awa Ly, Joey Baron und Anthony Braxton (Jazzfest Berlin 2019), der Afrobeat-Band Polyversal Souls und zuletzt der Oscar-Preisträgerin Hildur Guðnadóttir. 2016 wurde Striffler von der britischen Popband Travis für deren Album Everything At Once engagiert.

2017 veröffentlichte Fabiana Striffler mit dem argentinischen Gitarristen Quique Sinesi die CD Mahagoni, die als „Bestes Album“ für den VIA Award des VUT (Verband unabhängiger Musikunternehmer*innen) 2018 nominiert wurde. Das Jazzpodium notierte seinerzeit dazu: „Ein gemeinsamer Atem, ein funkelndes musikalisches Kleinod, welches von den ersten Klängen an gefangen nimmt.“

Aktuelles Album

Fabiana Striffler - Archiotíc

Fabiana Striffler - Archiotíc

Fabiana Striffler - violin
Julia Biłat - cello
Jörg Hochapfel - keys
Paul Santner - guitar, bass
Greg Cohen - bass
Max Andrzejewski - drums

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Vor rund drei Jahren verblüffte Fabiana Striffler mit ihrem Album Sweet And So Solitary Publikum und Medien. Das Jazzpodium widmete der Geigerin und Komponistin aus Berlin eine Doppelseite und nannte ihre Musik einen „faszinierenden Klangkosmos“, der Deutschlandfunk resümierte: „Eigensinnig ist das gesamte Album von Fabiana Striffler, manchmal auch fordernd und störrisch.“ Das Magazin Concerto befand, „solche Lieder würde Gustav Mahler vielleicht komponieren, hätte ihn eine Zeitmaschine ins frühe 21. Jahrhundert katapultiert: geheimnisvoll strahlend, berührend und voll von unerhörten Klängen.“ Und selbst in England stieß Striffler auf Resonanz, etwa in Hifi Critic: „It takes great skill to make something sound so profound and so grotesque at the same time.“

Das aktuelle Album knüpft in Teilen an den Vorgänger an, in vieler Hinsicht geht Fabiana Striffler aber auch andere Wege. Konsequenter denn je überquert sie Stilgrenzen, lässt auf selten gehörte Art Virtuosität und Humor in Komposition und Ausführung umeinander tänzeln. Einen substantiellen Beitrag dazu leistet die neu zusammengestellte Band hochkarätiger und ungemein beweglicher Musiker*innen. Vereinzelte Bezüge zu Modernisten der europäischen Klassik (Strawinski, Bartók) suggerieren Strifflers facettenreiches Violinenspiel und die nicht minder freigeistige Cellistin Julia Biłat (Stegreif Orchester u.a.), mit der Striffler seit 2017 arbeitet. Der Keyboarder Jörg Hochapfel sorgt seit Jahren mit unkonventionellem Witz im genresprengenden Andromeda Mega Express Orchestra für schräge Überraschungen, zudem gilt er als äußerst sensibler Begleiter – beide Talente zeigt er auch in Strifflers Band. Max Andrzejewski und Paul Santner gehören zu den markanten Persönlichkeiten des zeitgenössischen, in viele Richtungen offenen Jazz, für den die Berliner Szene europaweit bekannt ist. Schließlich hat Strifflers Langzeitpartner Greg Cohen (Tom Waits, John Zorn u.a.) vor allem als Produzent maßgebliche Spuren auf dem Album hinterlassen.

In Strifflers Kompositionen steckt eine klare Haltung, man könnte auch sagen, eine philosophische Botschaft. „Ich möchte etwas kreieren, das die Menschen öffnet. In Coronazeiten hat sich das Phänomen noch mehr verstärkt, dass Leute sich aus dem Weg gehen. Bereits vorhandene Ängste, etwa vor Konfrontation und Verlust, vor dem Unbekannten und anderen Gedanken, wurden noch verstärkt durch die echte Ansteckungsgefahr. Ich versuche mit meiner Musik eine Plattform zu schaffen, auf der man loslassen kann. Und ich möchte dem Trend zur Entfremdung und Anonymisierung etwas Persönliches entgegensetzen.“

Dass auf Archiotíc – anders als früher – nicht gesungen wird, hatte Fabiana Striffler anfangs nicht geplant. Doch dann erwies sich ein instrumentales Konzept als wesentlich stimmiger. „Mir scheint, dass das rein instrumentale Album besser in diese Zeiten des Informationsüberflusses passt. Ich wollte etwas schaffen, das mehr Freiraum lässt, seine eigenen Gedanken zu spinnen.“

Der Reichtum an Klangfarben ist auch ohne Stimmen enorm, ebenso die Spannweite und Suggestionskraft von Strifflers Stücken. Der süße Aufmacher des Albums, Maraschino Cherries, scheint melodisch zwischen Zirkus und Italo-Pop (Striffler hat ihre Kindheit in Italien verbracht) zu balancieren und bringt dafür charmant lächelnd Jazzbassgrooves, skurriles Synthiezwitschern und Geigenpizzicati zusammen. Auch das folgende Chant Of The Earth lockt mit eingängigem Leitmotiv, tendiert indes deutlich zu anglo-amerikanischen Folk-Traditionen. Die bewusste Aneinanderreihung von Wiederholungen des Themas kritisiert Repetitionen aus Werbung und Radio und kehrt deren Absicht um. „Wiederholung kann auch bedeuten, sich völlig auf etwas einzulassen und zu fokussieren. Chant Of The Earth soll ein Aufruf sein, der Erde zuzuhören“ erklärt Striffler, „deswegen gibt es auch die beiden Reprisen. Die erste erzählt mittels einer ungewöhnlichen Kontrabass-Gitarre, wie es auf dem Planeten vor unserer Existenz aussah. Und die zweite stellt die Auswirkungen der Menschen auf der Welt dar: Schönheit und Metallschrott“.

Die im Ausklang von Chant Of The Earth erklingende barocke Truhenorgel spielt auch im direkt anschließenden Schlüsselwerk des Albums, Invitation To Sin, eine Rolle. „Das ist meine Version der Genesis. Das Stück beschreibt den Moment, an dem der Mensch vom Baum der Erkenntnis aß, lernte zu reflektieren und in seiner Nacktheit auf sich selbst zurückgeworfen wurde“, erklärt Striffler. Die Stimmen von Violine, Cello und Orgel stehen für Eva, Adam und die Schlange, das etwas irrlichternde Klavier für die Orientierungslosigkeit nach Sündenfall und Vertreibung. „Bei Komponieren habe ich mich von traditioneller Harmonielehre gelöst und stattdessen an der Unbestechlichkeit von Intuition und Zwölftonmusik orientiert. Teilweise ist das Stück sogar atonal, trotzdem klingt es nicht dissonant.“ Am Ende des Albums nimmt Memorandum Of Sin den Faden noch einmal auf. „Hier reflektiere ich unser Bedürfnis nach körperlicher Nähe und Zärtlichkeit in Zeiten der Isolation durch Corona. Als es sich anfühlte wie eine Sünde, einem anderen Menschen zu nahe zu kommen.“ Geschrieben für die Solotruhenorgel zu drei Händen, figuriert Memorandum Of Sin als „ein amputiertes Duo, das nicht in der Lage ist, sich zu berühren.“

Dance Of The Elves klingt genau so, wie man sich Musik zu diesem Titel vorstellt – ein wenig versponnen, anfangs auch zart, dann von einer magischen Kraft durchzogen, die in jazziger Spielweise kulminiert. Das Titelstück der Platte versetzt mit südamerikanischem Groove, schwelgerischen Pop- und Romantik-Flirts sowie absichtsvoll nostalgischem Sound in imaginäre Kaffeehäuser oder Bars einer vergangenen Epoche. Ähnlich wirkungsvoll, wenngleich in der Stimmung deutlich dunkler, erweckt auch Enchanted Woods (ganz im Geiste Ennio Morricones) den Eindruck eines mysteriösen Scores, zu dem die passenden Szenen noch gedreht werden sollen. Gleich darauf folgt der nächste Kontrast, wenn uns Dreamy Back Roads mitnimmt in die USA der Gründerzeit, wo das Horn einer Lokomotive, eine Folk-Fiddle und ein knurrender Bass Strifflers Faible für Bluegrass und Americana erkennen lassen.

Insgesamt seien ihre Kompositionen, sagt Fabiana Striffler, dieses Mal wesentlich klarer als zuvor. „Ich habe recht umfassend notiert, aber zwischendrin weiße Flecken gelassen, bei denen ich auf die Intuition der Anderen baute. Dabei standen immer Aussage und Gefühl im Zentrum.“ Leidenschaftlich wird Striffler auch, wenn es um Manipulationen durch unsere zunehmend digitalisierten Umgebung. „Es ist paradox – Algorithmen suggerieren uns, dass wir brauchen, was uns ähnlich ist. Aber was soll das? Wenn es keinen Menschen mehr gibt, mit dem ich diskutieren kann, weil alle die selbe Meinung haben wie ich, alle dieselbe Musik mögen wie ich, alle dieselben Gegenstände haben wollen wie ich, fehlen doch sämtliche Anstöße, über Neues nachzudenken. Mich inspirieren Menschen, die ganz anders sind als ich. Genau das ist auf dem Album zu hören. Es ist nichts für Puristen, sondern für Leute, die Lust haben, sich auf etwas Neues einzulassen.“

Diskographie

  • Archiotíc, 2021
  • Drawing But One Sound, 2020
  • Sweet And So Solitary, 2018
  • Mahagoni, 2017

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