Johannes Enders

Acoustic jazz meets futuristic electronics. - Bayerischer Rundfunk 2020

Biographie

Johannes Enders ist ein deutscher Saxophonist, Komponist, Produzent und Lehrer. Seit 2009 hat er eine Professur für Jazz-Saxophon an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig inne.

Die musikalische Laufbahn des am 12. Mai 1967 in Weilheim geborenen Johannes Enders beginnt im Alter von 14 Jahren, als er von der Flöte zum Altsaxophon wechselt und seine Liebe für Soul und Jazzmusik entdeckt. Starke Einflüsse für ihn sind damals Stevie Wonder, Quincy Jones, David Sanborn, James Brown, Michael Brecker und später schließlich Charlie Parker und John Coltrane.

Schnell wird ihm klar, dass die Musik sein Leben bestimmen wird. Nach einigen Lehrjahren bei Jürgen Seefelder und André Legros am Richard-Strauss-Konservatorium in München führt ihn die Reise 1987 an die Musikhochschule nach Graz, um dort Jazzsaxophon und Improvisation bei Charlie Miklin, Adelhard Roidinger und Carl Drewo zu studieren. Dort hält es ihn nur zwei Jahre.

Nach Begegnungen mit Schlüsselfiguren wie Jerry Bergonzi und David Liebman, mit seinen Mentoren Vincent Herring und Reggie Workman, der ihm ein Stipendium an der New School in New York vermittelt, erfüllt sich der lang gehegte Traum, in die Hauptstadt des Jazz zu ziehen, um dort zu studieren und mit Größen wie Donald Byrd, Jaki Byard, Jeff Tain Watts, Brad Mehldau, Chris Potter, Joey Calderazzo, Sam Rivers, Peter Bernstein, Joe Locke, Pete LaRoca, Roy Hargrove und vielen anderen zu spielen.

Seine Silber-Trophäe beim „American Music Fest“ in San Francisco (1990) und die Teilnahme am renommierten „Thelonious Monk“- Wettbewerb in Washington D.C. im Jahr darauf bereiten ihm auch im gelobten Land den Weg. Zurück in Deutschland, etabliert sich Johannes Enders schnell als eine der wichtigsten Stimmen am Tenorsaxophon und wird vom renommierten Jazzlabel ENJA Records unter Vertrag genommen. Hier gründet er eigene Projekte wie sein Akustisches Quartett, sein Saxophonquartett ZeitGeistMaschine und die Duos mit Jazzlegende Günter Baby Sommer oder mit Rainer Böhm sowie seine Elektro-Jazz-Projekte Enders Room und Enders Dome.

Für seinen immensen kreativen Output wird er über die Jahre u. a. mit dem österreichischen Jazzpreis, dem Kulturförderpreis für Musik der Stadt München, dem SWR Jazzpreis, dem Weilheimer Kulturpreis, dem Neuen Deutschen Jazzpreis, dem Jazz Echo 2012, dem Deutschen Musikautorenpreis und dem bayrischen Staatsförderpreis ausgezeichnet.

Als gefragter Sideman in Bands wie The Notwist, Tied & Tickled Trio, Billy Hart European Quintett, Günther Baby Sommers Quartett Süd, Franco Ambrosetti Quartett, Karl Ratzer Quintett u. v. a. spielte er mittlerweile in allen wichtigen Clubs und Festivals und verewigte sich auf bislang über 100 Studio-Einspielungen.

Aktuelles Album

Enders Room - Dear World / Hikikomori

Johannes Enders - Saxophones, Flutes, Clarinets, Persussion, Rhondes, Programming
Bastian Stein - Trumpet
Jean-Paul Brodbeck - Piano
Karl Ivar Refseth - Vibraphone
Wolfgang Zwiauer - E-/Synth Bass
Gregor Hilbe - Drums, Percussion
Paula Enders - Vocals 1/7

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Einfacher wäre es mit Texten. Ein Gedicht zum Beispiel oder ein Fragenkatalog, Möglichkeiten, der Realität mit der Klarheit des Wortes auf die Schliche zu kommen. Musik hingegen ist uneindeutiger, Chance und Herausforderung zugleich. Man kann ein Stück "Dear World" nennen, in der Hoffnung, der Hörer würde darin ebenso wie der Künstler eine Botschaft an die Welt entdecken, eine Entschuldigung vielleicht oder eine Aufforderung, sich selbst verantwortlich zu fühlen. Ob sie verstanden wird, bleibt jedoch offen, vor allem wenn man wie Johannes Enders bereits ein fortgeschrittenes System der musikalischen Kodierung entwickelt hat, das die eigenen Gefühlslagen und Erkenntnisse in Klang umsetzt. Mal beschäftigt er sich mit einem Abbauprodukt des Blutfarbstoffes im Anschluss an eine gefährliche Stoffwechselstörung, mal mit Glückshormonen, ohne die die positive Wahrnehmung zu einem grauen Schleier emotionalen Einerleis entfärben würde. Kein Problem für den beschreibenden Geist, aber eine echte Aufgabe, wenn man ohne verbale oder optische Hilfsmittel agieren will.

Das Phänomen "Hikikomori" ist auch so ein Fall. Es steht in Japan für Menschen, die schrittweise den Kontakt zur Außenwelt abbrechen und sich in einen Kokon des Selbstbezugs zurückziehen. Sie bleiben nicht nur in ihren Zimmern für sich allein, sondern isolieren damit auch ihre Umwelt von den Ritualen des Alltags. Denn der Aufstand durch Entzug trifft eine Gesellschaft, die auf klaren, ehernen Verhaltensregeln aufbaut, mehr als offensiver Protest. Er markiert die Überflüssigkeit des großen Zusammenhangs und der überlieferten Werte zugunsten eines selbstgewählten Autismus und ist damit eine sehr japanische Art, der Welt den Spiegel vorzuhalten. Für Johannes Enders wiederum ist es ein vielfältiges sematisches Feld, das nach einer Einkreisung verlangt. Als Medium der Annäherung wählt er Enders Room, ein Laboratorium langjähriger Weggefährten, denen er die Möglichkeiten der musikalischen Umsetzung nicht mehr erklären muss. Sie kennen ihn als Skeptiker und Hymniker, als Querdenker und Moderator der Gegensätze. Als einen der reflektiertesten Saxophonisten seiner Generation.

Denn darum geht es bei "Hikikomori". Formal testet Johannes Enders die Möglichkeiten zeitgemäßen Arrangierens, der Dramaturgie von Spannungsbögen und auch der Stringenz fortlaufender musikalischer Bewegungen und Umwandlungen. Es stellt Modelle gegenüber, den "Electric Room", den er im Kern allein produziert und nur stellenweise durch die Kollegen hat verändern lassen, und den "Acoustic Room", der Motive aufnimmt, weiterführt und das Synthetische sich im Analogen und Naturklingenden auflösen lässt. Damit schließt sich auch der Kreis zu dem zunächst eher kryptisch wirkenden Titelthema. Denn musikalisch gesehen lässt Johannes Enders die vor allem durch die Komplexität des Künstlichen empfundene Bedrohung des Individuums in der Natürlichkeit des Klangs aufgehen. Die Gleichung ist einfach: Je mehr analoge, akustische, individuelle Kraft, desto mehr Jazz, wie ihn Johannes Enders meint. Das funktioniert auch ohne Worte.

Text: Ralf Dombrowski

Diskographie

  • Dear World / Hikikomori, 2020
  • Endorphin, 2018
  • Mondvogel, 2011
  • Billy Rubin, 2011

Fotogalerie

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